Interview: Auswandern nach Japan

Rainer HellsternLänder8 Kommentare

Bereits seit einiger Zeit plane ich auch andere hier im Blog zu Wort kommen zu lassen. Nun endlich ist es soweit! Matthias, Japan Auswanderer und Blogger (tabibito.de)war so nett und hat mir ein paar Fragen rund ums Thema Auswandern, seinen Blog und Japan beantwortet.

1. Hi Matthias, bitte stelle dich einmal kurz meinen Lesern vor!

In der realen Welt bin ich als Matthias bekannt, in der virtuellen unter dem Namen “tabibito”. Das ist japanisch und bedeutet “Reisender”. Aufgewachsen in Fürstenwalde bei Berlin, im Osten Deutschlands, hat es mich schon früh in die Ferne getrieben – allerdings nie mit dem Gedanken, mich meiner Heimat abzuwenden.
Studiert habe ich Geographie in Halle/Saale, später auch noch Japanologie als Wahlpflichtfach. Die Bekanntschaft mit einer illustren Gruppe von Japanern hat mich 1996 schliesslich zum ersten Mal nach Japan geführt. Danach war ich zwar immer noch viel in anderen Teilen Asiens, mehr aber noch auf dem Balkan und den GUS-Staaten unterwegs,aber weitere Touren nach Japan, darunter ein Jahr an einer japanischen Universität, folgten beinahe im Jahreswechsel. Seit 2005 lebe ich auf unbegrenzte Zeit in Japan und arbeite in Tokyo als IT-Manager bei einer japanischen Portalseite.

2. Was war der Grund für dich nach Japan auszuwandern?

Der Grund war recht profan: In 2001, lernte ich in Deutschland meine jetzige Frau kennen – Japanerin. Bereits damals konnte ich halbwegs gut Japanisch sprechen. Meine Frau sollte mich daraufhin auf vielen meiner Reisen begleiten. Eine Fernbeziehung dieser Art ist allerdings auf Dauer recht anstrengend – um sich zu sehen, fährt man schliesslich nicht mal eben mit dem Zug oder Auto irgendwohin, sondern muss irgendwie 10,000 km zurücklegen.
Im Jahre 2005 heirateten wir schliesslich und standen vor der Wahl, wo wir uns erstmal niederlassen sollen. Da es uns leichter erschien, in Japan zu arbeiten und zu leben, fiel die Wahl eben erstmal auf Japan.

3. Welche großen Unterschiede kannst du zwischen dem Leben in Deutschland und Japan feststellen?

Wie auch in Deutschland hängt es sehr stark von ab, wo man lebt – auf dem Land oder in der Stadt. Ich wohne bei Tokyo und arbeite in Tokyo. Das Leben hier ist sehr schnell, Begegnungen oft flüchtig, auf dem ersten Blick ist vieles sehr oberflächlich. 40-Stunden-Wochen kenne ich nur aus den Nachrichten. Wo man auch ist – man ist nicht allein. Man ist umgeben von unglaublichen Menschenmassen. Hat man Urlaub, hat man ihn gleichzeitig mit 120 Millionen Japanern. Um es kurz zu fassen – ist man voll integriert, führt man ein hektisches Leben, in dem es an Nichts fehlt – ausser an Ruhe. Aber damit kann man sich arrangieren.

4. Die Integration von Ausländern ist ja bekanntlich ein ganz großes Thema in Deutschland. Wie klappt das in Japan so? Bist du gut integriert?

Japan ist natürlich eine Ausnahme im Vergleich zu klassischen Auswanderungszielen wie Australien oder Kanada zum Beispiel. Japan ist (noch) kein Einwanderungsland. Als Europäer, vor allem als Europäer mit Durchschnittsgrösse und hellen Haaren, fällt man schlichtweg auf. Japaner können sehr nationalistisch sein, weit mehr als Deutsche, aber als Europär, vor allem aber als Deutscher, hat man von vornherein einen Bonus – ob man will oder nicht. Eine Integration in die Nachbarschaft und Arbeitswelt ist möglich. Aber dabei gilt die universelle Regel “Beherrsche die Sprache”. Wer Japanisch nicht versteht, wird nicht das Konzept des Zusammenlebens in Japan verstehen. Aber erstmal im Glauben gelassen, gut integriert zu sein – doch das ist nur Fassade. Dies führt auch nach etlichen Jahren in Japan zu enormen Missverständnissen, wie ich schon oft beobachten konnte. Doch auch wenn man die Sprache versteht, spürt man oft genug, dass man ein Ausländer ist: Fliehende Angestellte zählen zum Beispiel dazu (aus Angst, Englisch sprechen zu müssen), doch dieses Phänomen scheint immer seltener zu werden.

5. Kannst du dir vorstellen irgendwann wieder nach Deutschland zurückzukehren?

Unbedingt. Ich bin nicht ausgewandert, weil ich meine Heimat nicht mehr mag oder das Wetter dort. Ich betrachte Deutschland und Japan als meine Heimat. Im Vordergrund steht bei zukünftigen Entscheidungen aber die Frage, was das Beste für meine Familie ist. Wie wird es meinem Kind und meiner Frau in Deutschland (oder gar einem dritten Land) ergehen?

6. Jetzt mal ein Themenwechsel. Du schreibst in deinem Blog tabibito.de über das Alltagsleben in Japan. Wie bist du zum bloggen gekommen?

Eigentlich begann alles mit dem Testen von Open-Source Blogsystemen, um zu entscheiden, welches System wir auf unserer Portalseite einführen. Schreiben wiederum habe ich schon immer gemocht. So begann ich im März 2006 mit dem Bloggen. Der Anfang war mühevoll, aber da ich in Japan selten Landsleute treffe, fand ich allmählich Gefallen daran, den Blog als Kontaktmöglichkeit mit der Heimat und Gleichgesinnten in Japan zu pflegen.

7. Was können wir in Zukunft von dir und deinem Blog erwarten?

Die meisten Blogs über Japan sind eher kurzlebig – die Blogger kommen auf begrenzte Zeit nach Japan, schreiben ein paar Monate oder ein Jahr und gehen dann wieder. Mein Ziel ist es, eine beständige Institution im deutschen Internet zum Thema Japan zu sein. Das ganze hat zwei Standbeine – die statische Webseite über Japan mit über 100 Seiten sowie der ständig aktualisierte Blog. Letzterer soll zum einen Informationsquelle für Japanologen und Japanophile werden, zum anderen aber auch unterhaltsam genug sein, um auch andere Leser anzulocken und dazu zu bewegen, Dinge mit anderen Augen zu sehen.
Gerne würde ich hier natürlich schreiben, dass der Blog in Zukunft mehr als ca. 12 mal pro Monat aktualisiert wird – das ist momentan zeittechnisch aber leider nicht möglich. Was es aber auch in Zukunft geben wird, sind Informationen aus Japan aus erster Hand sowie allerlei Anekdoten und
Unterhaltsames.

8. Gibt es neben deinem Blog noch weitere Websites die Japan Interessierte unbedingt kennen und lesen sollten?

Natürlich muss ich hier erstmal auf zwei weitere Seiten aus meiner Feder hinweisen: http://www.tabibito.de/japan/ ist eine ständig erweiterte Webseite über alle möglichen Aspekte Japans, in der mehr als 80 Reiseziele – von Akashi bis Zushi – ausführlich vorgestellt werden.
https://www.tabibito.de/japan/ ist eine übersicht der aktiven, japanbezogenen Blogs, in der stündlich die letzten zwanzig Artikel über Japan angezeigt werden.
Gelegentlich werde ich von Lesern gefragt, warum ich keine Diskussionsplattform zum Thema Japan anbiete. Die Antwort ist klar:
http://www.embjapan.de/forum/ erfüllt genau diesen Zweck und ist gut moderiert.
http://www.japan-photo.de/ ist eine (kommerzielle) Seite, auf der ich hin und wieder gerne vorbeischaue – es sind wirklich phantastische Bilder dabei.

9. Welchen speziellen Tipp würdest du jemandem geben der nach Japan auswandern möchte?

Lernt die Sprache! Dieser Tipp gilt eigentlich für alle Auswanderer, denn nur so erlangt man das Recht, aktiv in seiner neuen Umgebung eingebunden zu werden. Ich kann auch nur davor warnen, Japan allzu verklärt zu betrachten – Japan kann wunderschön sein, aber natürlich hat es auch andere Seiten, abseits der Manga und Reiseführer.

Vielen Dank für das Interview!

8 Kommentare bei “Interview: Auswandern nach Japan”

  1. Vielen Dank für das ausführliche “Interview”, welches mir so viel Infos gegeben hat. Auch ich trage mich mit dem Gedanken, nach Japan auszuwandern und stecke nun in den Vorbereitungen.

  2. interessanter blog, hab mir erlaubt nen link auf meinem blog dazu zu setzen, hoffe das ist ok?

  3. Pingback: Wer bloggt vom Auswandern? | Auswandern Blog

  4. Kann ich mir gut vorstellen, ein Leben in Japan als Europäer weist sicher viele Stolpersteine auf. Schließlich will man ja nicht immer als Ausländer gesehen werden und wer auswandert, sollte unbedingt die Landessprache beherrschen. Genauso sollte man die Sitten und Bräuche des Landes kennen.

  5. Sehr hilfreiches Interwiev bloss ich frage mich ob es wirklich so schwer ist dort und ob Japan Empfhelungs wert is den ich träum seit jahren davon

  6. Hey Matthias, danke für das Interview.
    Ich würde gerne wissen was man dort als IT Manager so verdient, ist das vergleichbar mit deutschen Gehalt? War die arbeitssuche schwer?

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