Pflege im Ausland: echte Alternative oder billige Notlösung?

Rainer HellsternRente im Ausland3 Kommentare

Pflege im Ausland © Photographee.eu - Fotolia.com

Die Pflege in Deutschland wird immer teurer – dass dieser Satz keine leere Phrase ist, beweisen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Im Jahr 2019 gab es 4,1 Millionen pflegebedürftige Menschen in Deutschland, mehr als 400.000 Menschen davon benötigten Pflegehilfsleistungen, da sie ihre Pflege nicht selbst be­zahlen konnten. Die Zahl dieser Personen steigt Jahr für Jahr an, denn einerseits werden die Menschen in Deutschland immer älter, auf der anderen Seite steigen aber auch die Kosten für gute Pflege­heime ständig. Im Jahr 2050 rechnet man mit 4,7 Millionen pflegebedürftigen Menschen – jeder 15. Deutsche wäre dann ein Pflegefall. Wer die Kosten hierzulande nicht mehr tragen kann, fragt sich natürlich, ob günstigere Pflegeheime im Ausland (vor allem in Osteuropa) eine Alternative zur hiesigen Misere sind. Welche Vor- und Nachteile die Pflege im Ausland hat und welche Kosten damit verbunden sind, zeigt der folgende Artikel:

Kosten der Pflege in Deutschland

In Deutschland werden Pflegebedürftige in fünf Stufen eingeteilt. Je nach Pflegestufe wird von der Pflegeversicherung ein bestimmter Anteil übernommen. Pflegebedürftige bezahlen den sogenannten Eigenanteil, der sich vor allem aus der Verpflegung (meist Vollpension) und Unterkunft (Mietkosten) zusammensetzt. Pflegebedürftige, die nicht in der Lage sind diese Kosten zu übernehmen, erhalten Unterstützung vom Sozialamt. Der Staat kann sich allerdings einen Teil von den Angehörigen zurückholen, sofern deren Einkommen hoch genug ist.

PflegestufeDurchschnittliche monatliche Kosten für ein PflegeheimAnteil der gesetzlichen Pflege-versicherungEigen­anteil
Pflegegrad 1[1]125 Euro
Pflegegrad 22.919 Euro770 Euro2.149 Euro
Pflegegrad 33.456 Euro1.262 Euro2.149 Euro
Pflegegrad 43.924 Euro1.775 Euro2.149 Euro
Pflegegrad 54.154 Euro2.005 Euro2.149 Euro
Quellen: Bundesministerium für Gesundheit, Allianz Versicherung (2021)

[1] In Pflegegrad 1 werden Menschen eingestuft, die geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten haben. Vollstationäre Leistungen in Pflegeheimen sind beim Pflegegrad 1 nicht vorgesehen.

Wer in der fünften Pflegestufe eingeordnet ist, muss mit Kosten von monatlich ca. 4.154 Euro rechnen – die gesetzliche Krankenkasse übernimmt lediglich 2.005 Euro. Somit würde der Eigenanteil des Rentners 2.149 Euro im Monat betragen; für Rentner mit niedriger Rente ist dieser Betrag meist einfach unbezahlbar, etwaiges Erspartes ist schnell aufgebraucht. Ergänzend sind die Kinder unterhaltspflichtig, wenn das Bruttoeinkommen bei über 100.000 Euro liegt.

In den Pflegestufen 2 bis 4 ist der Eigenanteil genauso hoch. Im Rahmen der neuen Pflegereform müssen sich Pflegebedürftige nicht mehr an den Mehrkosten des steigenden Pflegebedarfs beteiligen. Stattdessen gibt es einen einheitlichen Betrag für alle Bewohner von Pflegeheimen.

Der Weg von der Pflegebedürftigkeit in die Armut ist daher nicht weit. Auch für den Staat bedeuten viele pflegebedürftigen Menschen mehr Ausgaben. Mehr als 3,5 Milliarden Euro fließen jedes Jahr als Hilfszuwendungen an pflegebedürftige Menschen. Bis zum Jahr 2050 muss man in Deutschland mit einer Finanzierungslücke von bis zu zwei Billionen Euro rechnen. Eine Alternative, die daher immer mehr Menschen in Betracht ziehen, ist die Pflege im Ausland.

Kosten für die Pflege im Ausland

Wie aber kann man dieser Misere entgehen? Die Antwort scheint einfach und lautet „Pflege im Ausland”. Vor allem in Osteuropa (z. B. in Polen, Tschechien oder Ungarn) ist diese nämlich durchaus bezahlbar. Doch auch Thailand erfreut sich einer steigenden Beliebtheit. Ein Platz in einem Pflegeheim kostet hier in günstigen Fällen nur ca. 1.400 Euro monatlich. Generell liegen die Kosten bei 30 bis 50 Prozent von dem, was man in Deutschland bezahlen würde. Möglich sind diese Preise durch die verhältnismäßig niedrigen Arbeitskosten in diesen Ländern. Ein Pfleger in Ost­europa verdient beispielsweise zwischen 400 und 500 Euro monatlich. Nicht umsonst gibt es bereits Modellversuche, Pflege­kräfte aus Thailand oder Osteuropa nach Deutschland zu holen.

Wer übernimmt die Kosten im Ausland?

Die deutsche Pflegeversicherung ist allerdings nicht dazu ver­pflichtet, die Pflege im Ausland zu bezahlen. Somit kann ein Pflegeplatz auch im Ausland teuer werden, denn die deutsche Pflegeversicherung muss im europäischen Ausland (EU, EWR und Schweiz) nur das Pflegegeld zahlen, monatlich zwischen 316 und 901 Euro. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs haben Pflegebedürftige im Ausland keinen Anspruch auf Pflege­sachleistungen aus Deutschland. Unter Sachleistungen versteht man beispielsweise die „häusliche Pflege durch eine professionelle Pflegekraft” oder das Anmieten von Hilfsmitteln. Pflegebedürftige in Deutschland (mindestens Stufe 2), welche sich zu Hause durch einen Pflegedienst versorgen lassen, haben darauf Anspruch. Sie können mit einem Wohnsitz im europäischen Ausland lediglich solche Sachleistungen bei Pflegebedürftigkeit erhalten, die Sie nach dem dortigen Recht beanspruchen können. In vielen europäischen Ländern gibt es aber keine vergleichbare Versicherung wie in Deutschland. Im außereuropäischen Ausland haben Sie weder auf Pflegesachleistungen noch auf Pflegegeld Anspruch.

PflegestufePflegegeld monatlich
MÖGLICH IN DER EU, EWR und Schweiz
Pflegesachleistung monatlich
(bis zu) KEIN ANSPRUCH IM AUSLAND
Pflegegrad 1
Pflegegrad 2316 Euro724 Euro
Pflegegrad 3545 Euro1.363 Euro
Pflegegrad 4728 Euro1.693 Euro
Pflegegrad 5901 Euro2.095 Euro
Quelle: Pflegegeld. Bundes­ministerium für Gesundheit (2021).

Auslandsrentner und Angehörige sollten sich frühzeitig bei der Pflegekasse über die genauen Leistungsansprüche informieren und müssen dann im Einzelfall gegenrechnen, ob die Pflege im Ausland aus finanzieller Sicht eine Alternative darstellt. Bedenken sollte man auch die weiteren Kosten wie zum Beispiel Reise- und Benzinkosten, die durch die längere Anfahrt bei regelmäßigen Besuchen entstehen.

Hinweis: Wer plant, im Alter auszuwandern, oder generell Sorgen bezüglich der Finanzierung im Pflegefall hat, sollte über den Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung nachdenken. Eine solche Versicherung zahlt unabhängig vom jeweiligen Wohnort eine vereinbarte Summe im Pflegefall.

Wie findet man ein gutes Pflegeheim im Ausland?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten ein passendes Pflegeheim in Ausland zu finden:

Online-Portale: Pflegeheime in Osteuropa bzw. Polen findet man beispielsweise im Internet bei diversen Online-Portalen und über die Google Suche. Einige Portale bieten detaillierte Beschreibungen in deutscher Sprache (Ausstattung, Wohn­möglichkeiten und Lage). Ob das entsprechende Pflegeheim die Erwartungen erfüllen kann, sollte man dann im Rahmen eines persönlichen Besichtigungs­termins ergründen.

Hinweis: Hier habe ich eine Liste mit einigen Seniorenresidenzen im Ausland angelegt. Die Liste wird künftig noch erweitert.

Konsulate: In einigen beliebten Ferienregionen (z. B. Spanien) gibt es deutsche und deutsch­sprachige Altenheime, Seniorenresidenzen und ambulante Pflege­dienste. Informationen hierzu erhält man über die deutschen Konsulate der entsprechenden Region.

Empfehlungen / Mundpropaganda: Empfehlungen von Freunden und Bekannten oder Zeitungsartikel sind ebenfalls eine gute Möglichkeit, ein passendes Pflegeheim zu finden. Über das Alzheimerzentrum Baan Kamlangchay (https://www.alzheimerthailand.com) in Thailand berichtete beispielsweise schon der Deutschlandfunk in der Online-Ausgabe (Lena Bodewein, Zur Pflege nach Thailand). Das Heim befindet sich in einem Vorort von Chiang Mai, der zweitgrößten Stadt in Thailand. Dieses Pflegeheim wurde von einem Schweizer gegründet, Martin Woodtli lebt mit seiner thailändischen Frau heute selbst hier. In Thailand sind die Pflegekräfte sehr freundlich und kümmern sich rund um die Uhr um die Patienten. Dies zeugt davon, dass man in Thailand auch vor älteren und kranken Personen großen Respekt hat. Zwar ist die Pflege hier wohl nicht ganz so professionell wie in Deutschland, dafür aber umso menschlicher. Umarmungen und andere kleine Liebkosungen sind ganz selbstverständlich. Bedingt durch die niedrigeren Lohn­kosten, kümmern sich 30 Pfleger und Krankenschwestern um die nur zehn „Gäste”. Finanziert wird die Betreuung (2000 Euro monatlich) nur durch die Renten der Bewohner und Beiträge der Angehörigen; staatliche Zuschüsse oder Subventionen gibt es nicht.

Nachteile der Pflege im Ausland

Natürlich bringt ein Pflegeplatz im Ausland nicht nur Vorteile mit sich. Für die meisten älteren Menschen ist es nicht einfach, insbesondere dann, wenn es sprachliche Barrieren gibt. In vielen Einrichtungen sind mittlerweile aber auch deutschsprachige Pfleger und Krankenschwestern angestellt. Die ungewohnte Umgebung ist für viele Pflegebedürftige jedoch nicht immer auszuhalten. Ein weiterer Negativpunkt ist, dass im Ausland nicht die gleichen Standards wie in Deutschland gelten. Sicherheits­überprüfungen elektrischer Geräte finden hier zum Beispiel kaum statt. Zudem ist es für die Familie schwierig, ihre Angehörigen im Pflegeheim regelmäßig zu besuchen, denn die Entfernungen sind nur schwer zu überbrücken.

Pro- und Contra-Argumente in der Übersicht

Pro

  • Niedrigere Pflegekosten als in Deutschland (Osteuropa / Thailand)
  • Ggf. bessere Personalausstattung / Betreuungsschlüssel aufgrund der niedrigeren Personalkosten

Contra

  • Sprachbarriere / Fremde Umgebung
  • Fehlende deutsche Standards (Ausbildung, Sicherheitsüberprüfungen etc..)
  • Ggf. hohe Reisekosten für Besuche von Angehörigen

Fazit

Die Pflege im Ausland ist ein schwieriges Thema, über welches man lange und kontrovers diskutieren kann. Sicher ist dies keine einfache Entscheidung, deren Für und Wider man gut abwägen sollte. Ist der Pflegebedürftige noch geistig fit, sollte dieser in die Entscheidungsfindung unbedingt mit einbezogen werden. Bei starker Altersdemenz sollte berücksichtigt werden, wie der zu Pflegende selbst entschieden hätte. Würde er / sie es befürworten, dass das Familienvermögen für die Pflege im Alter verbraucht wird? Was wäre ihm / ihr für eine gute Pflege besonders wichtig? Kann eine liebevolle Betreuung das fehlende vertraute Umfeld aufwiegen?

3 Kommentare bei “Pflege im Ausland: echte Alternative oder billige Notlösung?”

  1. Wir haben beste Erfahrungen mit einem Seniorenheim in Tschechien gemacht. Deutscher Pflegestandart, laufende Kontrolle durch die zuständigen Ämter. Man nimmt sich Zeit für die Pflege. Das Personal spricht Deutsch und pflegt einen liebevollen Umgang mit den Senioren. Die Preise liegen um ca. 50 % unter denen vergleichbarer Heime in Deutschland. Ist eine echte Alternative.

  2. Wir überlegen gerade im EU Land Estland ein Pflegeheim in schöner Lage zu bauen. Es soll ca 75 Apartment für die Gäste umfassen und muss sich ausschließlich aus den Einnahmen der Gäste finanzieren. Die Überlegung ist das die Gäste Ihr Apartment selbst kaufen mit je ca. 3500 Euro/m2, der Besitz lebenslänglich ist und im Todesfall der Besitz an die Betreiber zurückkeht.
    Wir wollen einen menschlichen Umgang mit dem deutschen Pflestandart kombinieren.
    Interessierte können sich gerne bei uns melden. Die Fertigstellung ist für Ende 2018 vorgesehen.

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