Auswandern nach Marokko: Interview mit Essaouira-Auswanderer Didier

Rainer HellsternLänder7 Kommentare

Ich habe diese Woche ein Interview mit Marokko-Auswanderer Didier geführt. Didier lebt bereits sein 9 Jahren in der Hafenstadt Essaouria und hat bereitwillig meine Fragen beantwortet. Viel Spaß beim Lesen!

Hallo Didier, bitte stell dich meinen Lesern kurz vor?

Ich bin hier in Marokko der Didier. Eigentlich Dieter. Nur hier kann man das harte „t“ in meinem Vornamen nicht aussprechen. Didier ist aber im Französischen zu finden und so blieb ich hier der Didier. Ursprünglich bin ich aus Süddeutschland aus dem Kreis Tuttlingen an der schwäbischen Alb. Von Beruf bin ich eigentlich Reprohersteller, absolvierte aber noch ein Diplom zum Designer. Mit 50 Lenzen verließ ich Deutschland wegen dem Mangel an Arbeitsperspektiven.

Essaouura / Medina - cc Flickr Walking RoadZunächst bin ich nach Agadir, durch marokkanische Bekannte ließ ich mich letztendlich in Essaouira nieder. Essaouira ist eine kleinere Stadt am Atlantik, „auch die STADT des Windes genannt“. Jeder kennt jeden und man wird als Immigrant sehr schnell ins Herz geschlossen. Man kann Essaouira nicht mit Marrakesch oder Agadir vergleichen. Es ist eine verträumte Stadt und beliebtes Ausflugsziel wegen des Kulturerbes der Unesco „Medina“. Das Umland ist herrlich und man ist in zwei Stunden in Marrakesch. Agadir ist ca. 3 Stunden entfernt.

Ich bin als Bauunternehmer (selbstständig) in der Nähe von Essouria tätig. Als Bauleiter überwache ich alle Bauphasen bis hin zur Schlüsselübergabe. Hier achte ich besonders auf die solide Bauweise nach europäischem Standard und helfe Auswanderern die in Marokko ein Eigenheim bauen beim Papierkram. Zudem bin ehrenamtlicher Mitarbeiter des hiesigen Kinderschutzbundes „ TOUCHE PAS A MES ENFANTS“.

Warum gerade Marokko? Was hat dich an dem Land gereizt?

Nach dem Tod meiner Mutter, die ich in Deutschland pflegte, gönnte ich mir einen Urlaub. Ich ging in ein Reisebüro und schlug blind eine Seite im Reisekatalog auf: AGADIR – Marokko strahlte mir entgegen. Nun bin ich schon 9 Jährchen in diesem herrlichen Land. Hier vergaß ich meine Bandscheibenprobleme, die ja auch psychisch bedingt sind. Marokko besitzt Magie, die Landschaft bietet viel: das Meer, die Sahara, das Atlasgebirge und eine magische Architektur.

Wie kompliziert waren die bürokratischen Hürden in deinem Fall?

Zu Anfang kann man hier mit einem 90-tägigen Touristenvisum bleiben. Eigentlich ist es einfach eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, Voraussetzung sind regelmäßige Deviseneinnahmen von 600 Euro monatlich (z.B. durch die Rente); Zusätzlich noch diverse Auflagen, die ich ausführlich in meinem Blog beschrieben habe. 

Für welchen Typ Auswanderer siehst du momentan gute Chancen in Marokko? Arbeitnehmer, Selbstständige oder Rentner die Süden überwintern möchten? Ist die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit überhaupt so einfach möglich?

In Marokko kann sich jeder niederlassen. Ein jeder ist hier willkommen. Egal ob Rentner, Jugendlicher oder mittleren Alters. Schon allein durch das Klima und der Charme der Menschen halten sich hier viele Kranke (z.B. bei Hautkrankheiten oder Bandscheibenbeschwerden)  auf.

Jedoch ist es nicht möglich hier bei einem Unternehmer eine Arbeitsstelle zu bekommen. Arbeitsplätze sind den Marokkanern vorbehalten. Ein Arbeiter hier verdient am Tag im Durchschnitt etwa 80-120 Dihram (etwa 10 EURO); Davon profitieren auch ausländische Firmen. Kein Einwanderer würde für diesen Lohn hier arbeiten. Arbeitet ein Marokkaner bei einem marokkanischen Unternehmer, verdient er nicht einmal den Tariflohn von mindestens 90 Dihram. Ein Kellner z.B. Verdient in den Touristenhotels etwa 1800 Dihram Gehalt im Monat (160 EURO) und muss davon eine Familie ernähren. Es bleibt für die Angestellten nur das Hoffen auf etwas Trinkgeld.

Für Einwanderer gibt es nur den Weg der Selbstständigkeit.Wenn hier ein Einwanderer z.B. Eine Auberge (Herberge / Gästezimmer) betreibt, kann er nicht für ein Zimmer 80 Euro (900 Dihram) verlangen. Marokkaner mieten dies nicht und für Europäer ist dies schon das absolute Limit. Man kann hier gut davon leben, aber für eine Reise ins alte Heimatland muss man schon viele Zimmer vermieten. Einwanderer, die sich in Marokko selbstständig machen, sollten mindestens Geldreserven für 2 Jahre besitzen. Ungefähr 600 Euro pro Monat, so kann man im Notfall die Zeit überbrücken.

Wie teuer ist das Leben in Marokko? Mit welchen Lebenshaltungskosten sollte man als Auswanderer rechnen?

Das Leben hier im groben Vergleich etwa 7-mal günstiger wie in Deutschland. Ein Rentner, der aus Deutschland monatlich 600 Euro erhält, kann hiervon sehr gut leben. In Deutschland ist dies für eine Person nicht mehr möglich.

Preis-Beispiele:
Kilo Tomaten, Kartoffeln, Gemüse etwa 4 Dihram (40 Cent). In Marokko gibt es das ganze Jahr Gemüse und Früchte auf den Märkten.
Kilo Rindfleisch, Lamm 70 Dihram ( 6 Euro).
Huhn Kilo 25 Dihram (2,20 Euro).
Ein Fladen-Brot 1 Dihram (10 Cent).
Massenhaft Fisch, Kilo ab 20-60 Dihram (1,80- 5 Euro)
Wer raucht, eine Schachtel 19-22 Dihram (2 Euro)
Wohnungsmiete, Beispiel Essaouira, gehobener Stil, 100 qm etwa 2500 Dihram (220 Euro)
Strom und Wasser im Monat etwa 100 Dihram (10 Euro)

Die Preise beziehen sich auf Essaouira. In Marrakesch, Agadir oder Casablanca ist der Lebensunterhalt etwa 30 % teurer. Ich verbrauche im Monat etwa 3500 Dihram (320 Euro), mit meinen geliebten Zigaretten wohl gemerkt.

Die medizinische Versorgung in Marokko ist hervorragend. Nach dem Verlust eines Zahnes kostet die Behandlung bei einem Kieferchirurgen 250 Dihram (22 Euro). Man muss nicht unbedingt zum Arzt, Apotheker sind hier so geschult wie Ärzte; Medikamente gibt es dieselben wie in Deutschland, nur zu einem Zehntel des Preises.

Viele Länder Nordafrikas befinden sich ja momentan im Umbruch. Wie sieht die Situation in Marokko aus (Sicherheitslage etc…)?

Marokko blieb gegenüber anderen Staaten des Maghreb verschont. Der König ist beliebt beim Volk, zudem hat sich in den letzten Jahren viel geändert. Der Korruption wurde ein gewaltiger Riegel vorgesetzt. Universitäten und Krankenhäuser sind neu entstanden. Jeder Arme hat nun das Recht sich hier ohne Bezahlung behandeln zu lassen. Strassen sind neu bebaut worden. Alte Busse werden ausgemustert und vieles mehr. Ich bin selbst erstaunt über den gewaltigen Wandel der letzten Jahre.

Welche Sprachkenntnisse sollte man als Auswanderer unbedingt besitzen? Arabisch, Französisch oder kommt man auch mit Englisch in Marokko gut durch?

Auf jeden Fall etwas Französisch-Kenntnisse. Sind diese nicht perfekt, sind die Marokkaner trotzdem behilflich. Englisch wir von den meisten auch verstanden und gesprochen. Mit Glück auch etwas Deutsch.

Du betreibst einen Blog unter http://marokkoauswanderer.blogspot.com/. Könntest du diesen bitte kurz vorstellen?

Den Blog habe ich mir absichtlich so ausgedacht. Als ich nach Marokko kam, rutschte ich durch falsche Beratung von einer deutschen Behörde fast in eine riesen Pleite. Dies soll anderen nicht passieren. Daher findet man in meinem Blog den Satz; “““ Sie kommen als Fremder und werden zum Freund.“““

Welchen speziellen Tipp würdest du jemandem geben der nach Marokko auswandern möchte?

Erst einmal in Ruhe das Land mit einem ausgiebigen Erkundungsurlaub anschauen. Sich mit Menschen unterhalten, die schon hier leben; Was für Möglichkeiten bietet eine Selbstständigkeit hier? Welche beruflichen Fähigkeiten besitzt man? Automechaniker, Elektriker oder Maler gibt es hier schon genügend Einheimische. Mit dieser Idee ist man hier fehl am Platz. Selbst ein Hobby kann hilfreich sein. Marktlücken entdecken!

Vielen Dank für das Interview!

7 Kommentare bei “Auswandern nach Marokko: Interview mit Essaouira-Auswanderer Didier”

  1. Danke dem Autor für den schönen Bericht, wie man nach Marokko auswandert. Es ist ein schönes Urlaubsland, wenn man dort wohnt, ist bestimmt nicht alles einfach. Vor allem interessant, welche finanziellen Möglichkeiten es in Marokko gibt, danke auch für die Zahlen (Einkommenssituation). Wir von LISA! Sprachreisen liebäugeln schon lange eine Sprachschule Französisch in Marokko aufzubauen. Uns fehlt dazu noch ein geeigneter Schuldirektor. Falls sich jedmand mit Fachkenntnissen auf diesem Blogbeitrag angesprochen fühlt, kann er sich gerne bei uns bewerben. Viele liebe Grüße, Elke Greim, LISA! Sprachreisen

  2. Hallo Dieter,

    Ich danke Dir fuer die Objektivität Deine Antworten über Marokko, das ist wircklich die pure Realität, und so ist es eigentlich die Lage in Marokko.

    Gruss aus Agadir

  3. Ich habe die ausführlichen Berichte von Didier über das Leben in Marokko gelesen und mit ihm Kontakt aufgenommen.
    Seit dieser kurzen Zeit haben wir von ihm so viele interessante Informationen und Tipps erhalten, die für uns sehr aufschlussreich und hilfreich bei der Auswanderung nach Marokko sind.
    Mein Mann und ich waren in diesem Jahr das erste Mal in Marokko und haben uns in dieses Land sofort verliebt. Didier hat uns vor allem Mut gemacht, diesen Schritt zu gehen. Dafür auch noch einmal von dieser Seite aus meinen herzlichen Dank.
    Rosita

  4. Hallo Didier! Mit großem Interesse habe ich Deine Berichte gelesen.Ich bin 2X verwittwet und habe letztes Jahr eine tolle Frau in Marakesch kennengelernt. Sie ist 20 Jahre jünger als ich (71) und wir haben uns verliebt. Sie arbeitet an der Reception eines Hotels für einen Hungerlohn etc. Meine beiden Söhne haben bereits ihr Erbe bekommen und ich möchte den Rest meines Lebens mit dieser Frau verbringen. Ich werde am kommenden Freitag wieder nach Marrakesch fliegen und 2 Wochen dort sein. Wäre toll, wenn wir beide uns mal eine Stunde in Essaouira treffen können. Gib bitte Bescheid.
    Danke im Voraus
    Ralf Werner von der Ostseeküste (Scharbeutz)

  5. Vielen Dank für den super Bericht. Lisa suchte ja 2015 jemanden der eine Französische Sprachschule leitet. Ich bin mit meiner Frau bereit dazu, wenn da noch etwas möglich ist. Aber auch sonnst würde ich mich über viele Berichte freuen und Leute aus Deutschland kennen zu lernen die nach Marokko ausgewandert sind.
    Lieben Gruß aus Rostock von Ingrid und Peter Bielack

  6. Die Preise stimmen nicht mehr: Mit 600 Euro kann man nicht mehr auskommen.
    Eher braucht man jetzt mon. 1100 Euro.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert