Ist ein naher Angehöriger pflegebedürftig geworden, ist es oft notwendig schwierige Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen, die das Leben aller Betroffener stark beeinflussen. Eine Frage die sich immer mehr Menschen stellen, ist, ob auch Pflegeeinrichtungen im nahen Ausland (z.B. in Polen) grundsätzlich in Frage kommen. Ich habe mir die jeweiligen Vor- und Nachteile der Pflege in Deutschland und Polen im Detail angeschaut:
1. Pflege in Deutschland
Die Pflege in Deutschland ist grundsätzlich mit hohen Kosten Verbunden, die nur zum Teil von der Pflegeversicherung gedeckt werden. Eine gesetzliche Pflegeversicherung zahlt – je nach Pflegestufe bis zu 1.550 Euro monatlich:
Pflegestufe | Durchschnittliche monatliche Kosten für ein Pflegeheim | Anteil der gesetzlichen Pflegeversicherung | Eigenanteil |
---|---|---|---|
Stufe I (erheblich Pflegebedürftig) | 2.538 Euro | 1.023 Euro | 1.515 Euro |
Stufe II (schwer Pflegebedürftig) | 2.965 Euro | 1.279 Euro | 1.686 Euro |
Stufe III (schwerst Pflegebedürftig) | 3.485 Euro | 1.550 Euro | 1.935 Euro |
Quelle: Statistisches Bundesamt am Beispiel Baden-Württemberg
Die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung kostet allerdings bis zu 3.500 Euro monatlich (durchschnittlich pro Tag – je nach Pflegestufe – 60 bis 120 Euro), wobei die jeweilige Preisliste zu beachten ist, in der weit höhere Tagessätze veranschlagt werden können. Dazu kommen noch die Zusatzleistungen der Pflegeheime, die grundsätzlich privat bezahlt werden müssen. Die Kosten der Pflege können die Rente schnell übertreffen und können da auch Kinder unterhaltspflichtig sind, das Budget der Familie empfindlich einschneiden.
Aber wenn auch die Gesamtkosten im Einzelfall noch getragen werden können, bleibt ein anderes generelles Problem ungelöst: der Pflegenotstand in Deutschland. Die Betreuungseinrichtungen haben bereits heute nicht genug Pflegekräfte für die Patienten. Bereits heute werden Pfleger aus dem Ausland angeworben, die zum Teil nur bedingt die Landessprache beherrschen. Dies kann erheblich die Verständigung zwischen dem Pfleger und dem Pflegebedürftigen erschweren. Die Zusatzkräfte aus dem Ausland reichen aber schon heute nicht mehr aus. Die Arbeitstage eines jeden Pflegemitarbeiters sind nach einem strickten Arbeitsplan aufgeteilt, in dem häufig keine Zeit für die persönliche Zuwendung, Ansprache, Aufmunterung des Patienten vorgesehen ist. Angesichts der alternden Gesellschaft in Deutschland ist auch in der Zukunft keine Verbesserung zu erwarten. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass der heutige Pflegenotstand sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten deutlich verschlimmert. Für die Unterbringung im Inland spricht allerdings, dass die Familie des Betroffenen diesen in ihrer der Nähe pflegen lassen kann. Der Familienangehörige kann häufig besucht werden. Der Familienanschluss bleibt bestehen, was sich auf den Zustand des Patienten positiv auswirken kann.
2. Pflegeplatz in Polen
Die Vorteile der Unterbringung in Polen sind vor allem die geringeren Kosten. In der Regel ist eine deutlich niedrigere Eigenleistung der Familie erforderlich. Es besteht immer noch ein starkes Preisgefälle zwischen Deutschland und Polen, ein Platz im Altenheim ist bereits ab ca. 1.400 Euro monatlich erhältlich. Das bedeutet, dass die Sätze, die von der deutschen Pflegeversicherung gezahlt werden, in Polen die Pflege ermöglichen, die wir im Inland nur mit deutlich höherer Eigenbeteiligung kaufen könnten. Als direktes Nachbarland und dazu auch EU-Mitgliedstaat bietet Polen eine schnelle und einfache Möglichkeit für die Angehörigen, den Patienten jederzeit zu besuchen. Je nach Wohnort der Familie möglicherweise sogar nicht seltener als bei einer Einrichtung in Deutschland.
Gegen die Unterbringung in einem polnischen Pflegeheim wird oft die Sprachbarriere angeführt. Dies trifft in der Zwischenzeit häufig nicht mehr zu. Viele Pflegeeinrichtungen haben sich auf die deutsche Kundschaft spezialisiert. Die Patienten sind ausschließlich Deutsche. Die Angestellten sind auf ihre Sprachkenntnisse hin ausgewählt. Das heißt für die Patienten, das diese sich sowohl mit anderen Bewohnern wie auch mit den Pflegern problemlos verständigen können. Für die Angehörigen bedeutet dies, dass die Erledigung der Formalitäten einfach und schnell von der polnischen Pflegeeinrichtung selbst übernommen wird. Ein spezieller Dolmetscher für die Fahrt und die Anmeldung ist somit nicht erforderlich.
Im weiteren wird von den Gegnern der ausländischen Unterbringung argumentiert, dass diese für den Patienten einen starken Bruch mit dem Alltag und die Unterbringung in eine vollständig neue und ungewohnte Umgebung bedeutet. Das ist richtig. Es ist eine erhebliche Umstellung für den Patienten. Eine weitreichende Umstellung ist die Aufnahme in einer Pflegeeinrichtung auf jeden Fall, unabhängig davon, ob die diese in Polen oder in Deutschland steht. Es ist kein selbstbestimmter Alltag, es ist kein Zuhause. Dies kann keine stationäre Pflege einem Patienten bieten. Auch das Argument der fehlenden Standards ist in der letzten Zeit nicht mehr aktuell. Viele Einrichtungen, die sich auf die deutschen Kunden spezialisieren, übernehmen auch deutsche Standards, Zimmer, die nach deutschen Maßstäben eingerichtet sind, deutsche Gerätschaften und Hilfsmittel.
Die öffentliche Meinung ist strickt gegen eine Unterbringung der Pflegebedürftigen im Ausland, was die einschlägigen Studien belegen. Beeindruckend ist allerdings, dass die Patienten, die sich aus freiem Willen für eine Auslandseinrichtung entschieden haben, fast ausnahmslos mit dieser sehr zufrieden sind und die Entscheidung nicht bereuen.
3. Fazit
Die letztendliche Entscheidung über den Pflegeort kann allerdings nicht pauschal beantwortet werden. Diese muss von der Familie im Einzelfall getroffen werden. Ist der Pflegebedürftige geistig aktiv, kann er in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Liegt Altersdemenz vor, könnte berücksichtigt werden, wie der zu Pflegende entschieden hätte, wenn er eine Entscheidung treffen könnte. Würde er es befürworten, dass das – auch von ihm – hart erwirtschaftete Familienvermögen für seine Pflege im Alter eingesetzt wird? Auf jeden Fall steht das Wohlbefinden des Patienten und seiner Angehörigen im Vordergrund.