Auswandern in die Niederlande: Bettina berichtet von ihrem Umzug nach Amsterdam

Rainer HellsternLänder4 Kommentare

Wer auswandern möchte, sollte sich gründlich vorbereiten – so lautet die gängige Empfehlung. Doch es geht auch ohne. Europa wächst immer mehr zusammen und innereuropäische Jobwechsel und Umzüge sind gar nicht mehr so kompliziert wie noch vor einigen Jahren. Auswanderin Bettina berichtet von ihrem Umzug und dem neuen Leben in Amsterdam:

1. Hallo Bettina, bitte stell dich kurz vor

Hi, wie du schon erwähnt hast, heiße ich Bettina. Ich bin ein 1988er-Jahrgang und ursprünglich aus einem kleinen Dorf, nahe Wien. In der großen Stadt, habe ich aber die letzten Jahre vor meinem Umzug in die Niederlande gewohnt. Ich habe Publizistik- und Kommunikationswissenschaften studiert und bin mittlerweile im Tourismus tätig.

2. Was war der Grund für dich nach Holland auszuwandern?

Schon als kleines Kind war ich sehr aufgeweckt, abenteuerlustig und liebte das Reisen. Meine Eltern haben gemeint, ihnen war damals schon klar, dass ich irgendwann nicht mehr nach Hause kommen würde. 🙂
Nachdem es mich kurz nach meiner Matura (Abitur für Deutschland) für einige Monate in die Staaten verschlagen hatte, musste ich allerdings wegen meines Studiums auf weiteres Reisen verzichten. Als ich dann 1,5 Jahre in einem Vollzeitjob verbracht habe, war irgendwann der Punkt gekommen, wo ich mir gesagt habt “entweder du machst das jetzt, oder nie”.

3. Wie hast du dich auf die Auswanderung vorbereitet?

Leider muss ich dich enttäuschen. Ich ging das alles gar nicht so strategisch an. Ich wollte einfach ins Ausland, etwas erleben, bevor es mir nicht mehr so frei möglich ist – und meine Fähigkeiten verbessern. Also habe ich in Foren nach Jobs in London gesucht. Das war in meinen Augen die naheliegendste Lösung. Dabei bin ich über einen Praktikumsplatz in Amsterdam gestolpert. Kurzum habe ich mich beworben und bekam innerhalb von einer Woche eine Zusage.

Danach ging es umso schneller! Innerhalb von einem Monat musste ich eine Nachfolgerin für meine Wohnung finden, meine Sachen packen und alles bei meinen Großeltern unterstellen. Ich habe mir noch ein Hörbuch zum Niederländisch lernen gekauft und mit meinen Freunden in der Bibliothek gestrebert. Meine riesige Kleidersammlung habe ich auf einem Flohmarkt in Wien verkauft. Außerdem habe ich mich auf Facebook und in Foren erkundigt. Glücklicherweise sind Umzüge innerhalb der EU relativ einfach und ich brauchte keine zusätzlichen Genehmigungen. Ich hatte auch noch extra Glück, da mein Recruiter ein Zimmer für mich hatte. Wobei ich hierbei sagen muss, mittlerweile bin ich schon zwei weitere Male innerhalb von Amsterdam umgezogen. Der Wohnungsmarkt ist sehr schwierig hier.

4. Du betreibst auch einen Blog suitcaseunpacked.com? Erzähl mal um was es da geht?

Die Idee für den Blog ist während meines Umzugs und wegen meines Jobs entstanden. Ich bin im Marketing eines Online Reiseunternehmens tätig. Es ist dabei Teil meiner Arbeit auf Neuigkeiten, Studien, Tipps und Tricks zu achten und die Informationen zu sammeln. Als ich ausgewandert bin, ist mir aufgefallen, wie schwierig es teilweise ist Informationen zum Thema Auswandern zu bekommen. – vor allem mit einem Österreich-Bezug.
Grundsätzlich denke ich ja es ist nicht so ein großer Unterschied ob man aus DE oder AT kommt. Allerdings wenn es um rechtliche Dinge geht, fehlt es in Österreich oft an außerstaatlichen Quellen. Außerdem reise ich sehr viel. Im letzten Jahr waren es 14 Flugreisen – da kommt einiges an Bild- und Schreibmaterial zusammen. All das möchte ich meinen Lesern weitergeben. Zu viele Menschen haben mir die letzten 2 Jahre erklärt wie mutig ich sei und dass sie sich nie trauen würden einfach abzuhauen oder spontane „verrückte“ Reisen zu unternehmen. Ich möchte mit dem Blog erreichen, dass Leser sagen „easy, das kann ich auch“.

5. Welche großen Unterschiede kannst du zwischen dem Leben in Holland und Österreich feststellen?

Puh, da gibt es einige. Das Erste was einem als Arbeiter oder Angestellter auffällt ist, dass es in den Niederlanden kaum Feiertage gibt. Nach Juni (in manchen Jahren sogar früher), kannst du mit dem ersten freien Tag erst wieder zu Weihnachten rechnen. 🙂

Außerdem spricht hier jeder Englisch. Als ich ankam, habe ich kaum ein Wort Niederländisch gesprochen. Ich kenne sogar Expats, die schon Jahre hier leben und immer noch kein Wort sprechen, außer auf Englisch natürlich – das reicht vollkommen aus. In Österreich sind wir da noch einige Schritte hintennach.

Außerdem ist in Österreich das Sozialsystem besser. Man muss sich in den Niederlanden privat versichern und es kommt oft teurer. Wenn man ein Baby bekommt sollte man bis zu 2 Wochen vor Geburtstermin arbeiten gehen und 4 Monate später sitzt man schon wieder an seinem Schreibtisch. Also insgesamt hat man 16 Wochen bezahlten Schwangerschaftsurlaub. Auch ziemlich wenig im Vergleich.

Auf der anderen Seite liebe ich die Einstellung der Niederländer: sobald nur ein paar Sonnenstrahlen zu sehen sind, sitzen alle draußen, vor ihren Häusern oder in Cafes. Es ist ein reges miteinander. Generell sind die Menschen sehr liberal und offen in Amsterdam. Es ist auch immer was los: Festivals, sportliche Aktivitäten, Workshops. Man möchte die Leute beschäftigt halten. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass so viele internationale Menschen in den Niederlanden leben und man so auch neue Leute kennenlernt. Zusätzlich leben die Menschen hier vom Tourismus.

6. Kannst du dir vorstellen, irgendwann wieder nach Österreich zurückzukehren?

Ich denke schon. Ich weiß noch nicht wann und ob ich dazwischen noch in ein anderes Land oder Länder umziehen werde. Vor kurzem war ich wieder in Barcelona und habe mit dem Gedanken gespielt für einige Zeit dorthin zu ziehen. Aber ich könnte mir auf alle Fälle vorstellen in Österreich alt zu werden.

7. Welchen guten Tipp hättest du für künftige Holland-Auswanderer?

Als Deutschsprachiger hast du es viel einfacher mit der Sprache. Du brauchst kaum Kenntnisse um dich gleich zurecht zu finden. Das macht es einfacher. Umso weiter du aber von den Großstädten weg wohnst, umso mehr Niederländisch solltest du können.

Melde dich auf Facebook an und suche nach Gruppen. Es gibt viele zum Thema Fahrräder kaufen, Zimmersuche, Apartmentsuche, Jobs für Deutschsprachige, Free Stuff to do. etc. Gib aber Acht: es gibt Menschen, die dich gerne übers Ohr hauen möchten. Gerade in Amsterdam ist die Nachfrage so groß, dass du schnell sein solltest, aber bedacht! Überweise kein Geld vorab!

Sei darauf vorbereitet, dass du mehr Kapital benötigst als in Österreich oder Deutschland: du kannst in Amsterdam für ein Zimmer locker zwischen €500 und €900 hinblättern.

Melde dich rechtzeitig bei der Gemeente für deinen BSN-Nummern-Antrag an. Es kann ein paar Wochen dauern bis du einen Termin bekommst und ohne diese Nummer darfst du nirgends legal arbeiten. Manche Firmen lassen dich gar nicht ins Gebäude.

Vielen Dank für das Interview!

über mich

Rainer Hellstern

Mein Name ist Rainer und ich bin Gründer und Autor des Auswandern Handbuchs. Seit 2008 verfasse ich hier Beiträge rund um die Themen Arbeit, Leben und Rente im Ausland. Mehr über mich.

4 Kommentare bei “Auswandern in die Niederlande: Bettina berichtet von ihrem Umzug nach Amsterdam”

  1. Der Kommentar über Holland ist ziemlich oberflächlich, das kann auch jemand schreiben, der ein bisschen im Internet herum schnüffelt. Dass die Deutschkennnisse abseits der holländischen Städte schlechter sind, ist natüröich purer Blödsinn. Ich bin in beiden Ländern aufgewachsen und kann sagen, dass jeder zweite Niederländer zumindest Deutsch versteht, wenn nicht gar spricht. Das ist auf dem Lande dasselbe wie in einer Stadt.

  2. Es ist sicherlich möglich etwas günstiges zu Mieten. Die Innenstadt von Amsterdam ist relative klein und wenn man unbedingt dort etwas mieten möchte zahlt man selbstverständlich den Hauptpreis, das wird in Wien, München oder Barcelona nicht anders sein. Wenn man aber im Großraum Amsterdam etwas sucht, sind die Preisen sehr viel Günstiger. Und von Vororten wie Amstelveen, Almere oder Haarlem ist man innerhalb 20 Minuten am Hauptbahnhof. Liebe Grüsse Ronald

  3. Als Niederländr, der seit 1992 In Deutschland lebt und somit beide Kulturen kennt, muss ich leider sagen dass dieses “Interview” arg platt ist.

    Es sagt nichts aus und deckt die wesentliche Merkmale meines Landes und den Menschen dort absolut nicht ab.

    Und wir MÜSSEN in der Schule IMMER Französisch, Deutsch und Englisch lernen. Für jede Sprache muss man pro Jahr 5 Bücher lesen (es gibt Bücherlisten die nach Schwierigkeitsgrad sortiert sind) und am Ende unterhält man sich mit dem Lehrer über eine Der Bücher in der Sprache des Buches.

    Inder tat ist das Sozialnetz nicht so “kuschelig” wie in Deutschland oder Österreich, aber damit wird auch vermieden dass eine Bequemlichkeit entsteht der Menschen dazu verleitet abzuhängen und den Tag tatenlos an sich vorbeiziehen zu lassen.

    Aber Niederländer sind in der Hinsicht eher aktiver wenn es um Tätig sein geht. Wir mögen auch einen gewissen Lebensstandard und dafür arbeiten wir gerne.

    Vor Allem da das Arbeitsklima in Holland um Einiges entspannter und sympathischer ist. Hier sind flache Hierarchien wirklich flach, im Gegensatz zu Deutschland, wo dieses Wort eher ein Farce ist.

    Hier herrscht halt eine andere Mentalität.

    Es herrscht dadurch oft das Missverständnis, das wir Niederländer die Arbeit und die Resultate eher nicht so ernst nehmen. Der gegenteil ist wahr.

    Durch eine entspannte Atmosphäre steigern sich die Ergebnisse. Wurde in unzählige Untersuchungen belegt.

    Und es gibt erst Druck wenn ein Mitarbeiter, durch eigenem Verschulden, die erwartete Ziele nicht bringt. Wie er die schafft und wann er wo arbeitet, steht ihm völlig frei.

    Ich muss sagen dass ich die Textpassage, in der die Einstellung der Niederländer beschrieben wird, extrem eindimensional finde.

    Klingt wieder nach dem Klischee “Kiffen und Saufen”. Niederländer sind sicherlich im Sommer gerne unterwegs und sitzen gerne auf Terrassen bei einem Kopje Koffie, ein Borreltje oder ein Biertje. Aber ansonsten sind wir kulturell sehr interessiert.

    Amsterdam bietet ja auch viel in der Hinsicht, wenn ich an unsere Weltberühmte Museen, unser Weltberühmtes Schauspiel- und unser Konzerthaus denke. Und da nenne ich nicht die unzählige kleine ff-road Theater und Konzerte.

    Von Jemanden, der anscheinend schon länger in Holland lebt, hätte ich ehr erwartet.

  4. Ich habe von 2006-2008 in den Niederlanden gelebt und gearbeitet. Gewohnt habe ich in Deventer und gearbeitet für BASF in Utrecht.
    Ich habe die (im Vergleich mit Deutschland) entspannte Arbeitsatmosphäre und den relaxten Führungsstil sehr genossen. Solche Vorgesetzten habe ich in Deutschland nicht mehr gefunden in den letzten Jahren, im Gegenteil, habe den Eindruck, dass hier immer mehr Druck auf die Arbeitnehmer ausgeübt wird. Die Bezahlung war, auch wieder im Vergleich zu hier, exorbitant höher. Obwohl ich einen sehr weiten Weg von Deventer nach Utrecht hatte, habe ich mich jeden Tag auf den Arbeitstag gefreut. Ach ja, und die Sprachkenntnisse der Niederländer sind bemerkenswert, da sollten sich die Deutschen mindestens eine Scheibe abschneiden.
    Als negativ habe ich die Wohnsituation empfunden, deshalb bin ich zurückgekehrt. Es gibt wenig Mietwohnungen und so etwas wie Schallschutz habe ich vermisst. Ich hatte den Eindruck, dass meine Nachbarn mit in meiner Wohnung wohnen.

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