Schweiz-Knigge: Fettnäpfchen, die Auswanderer unbedingt vermeiden sollten

Rainer HellsternSchweiz1 Kommentar

Deutsche Auswanderer haben es nicht leicht in der Schweiz. Sehr viele sind in den letzten Jahren aufgrund der guten Arbeitsbedingungen, der hohen Löhne und der schönen Natur in die Schweiz übergesiedelt. Die Schweizer sind wiederum genervt von den vielen Zuzüglern aus dem großen Nordkanton. Künftige Schweiz-Auswanderer sollten sich daher gut vorbereiten und den Einstieg nicht auf die leichte Schulter nehmen. Im Alltag lauern zahlreiche Fettnäpfchen und als Deutscher hat man momentan einen schweren Stand. Daher im Folgenden ein paar Tipps:

Begrüßung

  • Schon bei der Begrüßung lauert das erste Fettnäpfchen. Sagt man nun Gruezi oder Grüüzi? Wer sich für Letzteres entscheidet, hinterlässt bereits den ersten negativen Eindruck. Bei der Begrüßung bitte auf keinen Fall das e vergessen!

Schweizerdeutsch sprechen (bzw. imitieren)

  • Auswanderer sollten sich beim Thema Schweizerdeutsch an die folgende sehr einfache Regel halten: Verstehen: Ja! Sprechen: Nein! Man sollte versuchen den Gesprächspartner möglichst schnell zu verstehen (Wörterbuch), aber selbst weiterhin Hochdeutsch reden. Das erlernen der Schweizer Mundart, welche übrigens von Dorf zu Dorf / Region zu Region verschieden ist, ist sehr schwierig. So sprechen viele Auswanderer (trotz Heirat & Schweizer Staatsbürgerschaft) auch nach vielen Jahren noch Hochdeutsch.
  • Lokal gebräuchliche Begrüßungsformeln wie „Gruezi“ oder die gängigsten Helvetismen sollte man sich aber aneignen und in den täglichen Sprachgebrauch einfließen lassen. Helvetismen sind die kleinen aber feinen regionalen Unterschiede, dabei muss ich zwangsläufig an die Quarter Pounder with cheese Szene im Kultfilm Pulp Fiction denken. In der Schweiz fährt man nicht in den „Urlaub“, Schweizer gehen stattdessen in „Ferien“ oder machen ein „Velotürli“ (statt Fahrradtour).
  • Begriffe wie Velotürli klingen irgendwie niedlich. GANZ FALSCH! Man sollte einem Schweizer niemals sagen, dass Schweizerdeutsch ein niedlicher Dialekt sei.
  • Ein gern gemachter Fehler ist auch das Anhängen von „li“ als Endung an beliebige Wörter wie z.B. Fränkli statt Schweizer “Franken”. Die Schweizer sind stolz auf den harten Schweizer Franken und finden das nicht lustig.

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In der Firma (mehr Harmonie, weniger Ellenbogen)

  • Uns Deutschen eilt in der Schweiz der Ruf voraus, arrogant, laut und überheblich zu sein. Zum besseren Verständnis hilft ein genauer Blick auf die Unternehmenskultur in den beiden Ländern. Während es hierzulande in vielen Unternehmen eine klare Hierarchie gibt, und der Chef mitunter Entscheidungen alleine trifft, sind die Hierarchien in der Schweiz deutlich flacher. In Schweizer Unternehmen wird mehr diskutiert und der Chef versucht vor Entscheidungen eine möglichst breite Zustimmung zu erhalten (Konsensorientierung hat in der Schweiz eine große Bedeutung). Leider sind solche Entscheidungsprozesse mühsam, zäh und dauern oft ungewohnt lange. Zuwanderer sollten sich daher im Besonderen in Geduld und Kompromissbereitschaft üben.
  • Auch Ellenbogenmentalität kommt in der Schweiz gar nicht gut an. Konflikte offen, schnell und heftig auszutragen, wie in hiesigen Unternehmen, ist in der Schweiz ebenfalls unüblich. Bei Konflikten ist mehr diplomatisches Geschick gefragt. Man muss immer höflich bleiben und Konflikte am besten nur Häppchenweise ansprechen.
  • Genau wie bei Konflikten sollte man neue und innovative Ideen am besten nur tröpfchenweise einbringen, um nicht als besserwisserisch oder vorlaut abgestempelt zu werden.

Höflichkeit

  • Mit der deutschen Direktheit hat man in der Schweiz seine Schwierigkeiten.
  • Ich krieg noch ein Bier.” Ein solcher Satz im Restaurant ist bereits unhöflich. Aus Höflichkeit sollte man mehr „indirekt kommunizieren“ und häufiger den Konjunktiv (noch besser doppelt) verwenden. “Wäre es bitte möglich noch ein Bier zu bekommen….
  • In der Schweiz gibt es eine ausgeprägte Duzkultur. Man sollte sich nicht so wichtig nehmen und darauf bestehen mit dem gesamten Titel angesprochen zu werden.
  • In Diskussionen sollte man vor dem Sprechen eine Höflichkeitspause einlegen.
  • Zum Abschied ein “Ciao zusammen” oder “Adieu” gilt als höflicher wie z.B. “Tschüss”.

Die Schweiz ist Ausland

  • Die Schweizer sind uns nicht unähnlich. Neben der sprachlichen Nähe sind auch Attribute wie Pünktlichkeit, Fleiss oder Gewissenhaftigkeit in beiden Ländern gleichermaßen hoch angesehen. Und auch “Wetten, dass..?” zählte bis vor kurzem zu den beliebtesten Sendungen im Schweizer Fernsehen. Wenn das keine Gemeinsamkeiten sind! 😉 Dennoch ist die Schweiz ein anderes Land und man sollte sich genauso gewissenhaft vorbereiten, wie bei einer Auswanderung nach Australien!
  • Von Vorteil ist, wer sich gut über das Land auskennt und beispielsweise auch die Eigenheiten des politischen Systems beherrscht. Das gibt Pluspunkte bei den Schweizern.

Wem das noch nicht genug Fettnäpfchen sind, dem empfehle ich das Buch „Gebrauchsanweisung für die Schweiz“. Alternativ kannst du auch weitere Fettnäpfchen in den Kommentaren nennen.

über mich

Rainer Hellstern

Mein Name ist Rainer und ich bin Gründer und Autor des Auswandern Handbuchs. Seit 2008 verfasse ich hier Beiträge rund um die Themen Arbeit, Leben und Rente im Ausland. Mehr über mich.

1 Kommentar bei “Schweiz-Knigge: Fettnäpfchen, die Auswanderer unbedingt vermeiden sollten”

  1. Also, ich finde das einen sehr guten Beitrag. Alle Deutschen, die in der Schweiz leben, sollten diesen Beitrag lesen.

    Ich war beruflich sehr viel in Deutschland. Und ich sage immer, in Deutschland komme ich mir vor, wie ein Meerschweinchen. Kaum sage ich ein Wort und schön höre ich: Jö, ein Schweizer.

    Die Deutschen mögen die Schweizer. Umgekehrt nicht so. So ist das Leben.

    Auch den Hinweis auf flachere Hierarchien ihn der Schweiz finde ich sehr gut. Denn es ist so. Doch die ganze Konsensorientierung geht mir oft auch auf den Wecker. Jeder will mitreden, auch wenn er keine Ahnung hat.

    Das genannte Beispiel mit dem Bier, ist nur bedingt richtig. Denn bei uns ist ein Bier eine “Stange” Und wenn dann ein Deutscher beispielsweise einer attraktiven Servierdame sagt, “Ich krieg ne Stange”, dann kann das gehörig daneben gehen.

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