Auswandern auf die Lofoten: Henning berichtet vom Polarkreis

Rainer HellsternLänder1 Kommentar

Ganz im Norden Norwegens liegt die Inselkette der Lofoten. Auswanderer Henning hat dort seine neue Heimat gefunden. Wie es sich nördlich des 66. Breitengrads (Polarkreis) lebt, erzählt er nun:

1. Hallo Henning, bitte stell dich kurz vor

Ich habe vor fünf Jahren alles in Deutschland verkauft und bin im Winter mit meinem VW-Bus nach Nordnorwegen gefahren. In Tromsø angekommen, wollte ich einfach mal schauen, was mit mir passiert. Geplant war, den erste Monat auf dem Campingplatz zu leben, doch schon am 2. Tag nach meiner Ankunft hatte ich ein Zimmer und nach einen Monat einen Job. Nun lebe ich mit meiner norwegischen Freundin auf einem kleinen Hof auf den Lofoten. Wir haben zwei Kinder und betreiben einen kleinen Gasthof so wie eine Mini Camper-Vermietung. Hätte mir das jemand vor fünf Jahren erzählt – ich hätte es nicht geglaubt.

2. Was war der Grund für dich auf die Lofoten auszuwandern?

Ich hatte einen klassischen Burn out. Zehn Jahre habe ich in einer sehr nervenaufreibenden Branche gearbeitet. Angefangen als Praktikant und am Ende hatte ich meine eigene Firma. Ich habe kaum noch Urlaub machen können vor lauter Arbeit, hatte nicht mal Zeit mein verdientes Geld auszugeben und merkte plötzlich, wie monoton doch mein Leben mit 32 Jahren in der Deutschen Leistungsgesellschaft geworden ist.

So fasste ich eines Tages den Entschluss, noch einmal alles auf null zu stellen – und zwar in einem anderen Land. Ich wollte weniger Arbeiten, mehr Zeit in der Natur verbringen und an einem Ort wohnen, wo noch ein analoges Leben stattfindet. Weg von Computer und Smartphone.

Da viel die Wahl auf den Norden Norwegens. Hier gibt noch zum größten Teil die Natur den Takt an. Polarnacht, arktische Stürme oder die Mitternachtssonne bestimmen den Tagesablauf. Hier sind die Winter sehr extrem und der Sommer absolut traumhaft.

3. Wie hast du dich auf die Auswanderung vorbereitet?

Kaum. Ich hatte 24 Tage zwischen dem Entschluss auszuwandern und der Abfahrt von Kiel nach Oslo. In diesen Tagen habe ich meine Wohnung gekündigt, fast allen Besitz bei Ebay versteigert, meinen VW Bus winterfest gemacht und meine Firmenanteile abgegeben. Das lief alles erstaunlich reibungslos. Ich war mir der Sache sehr sicher und hatte wirklich viel Spaß, all diese Dinge, die man sich im Laufe der Zeit angeschafft hat, zu veräußern. Ich habe da auch etwas auf meinem Blog drüber geschrieben. Was für ein Gefühl es ist, am Ende nur noch einen Schlüssel am Schlüsselbund zu haben und der ist für deinen Campingbus, mit dem du in etwas Neues startest.

4. Gut, dass du deinen Blog (http://www.rundstykke.com/) erwähnst. Erzähl mal um was es da geht?

Anfänglich habe ich den Blog geschrieben, um meine Freunden in der alten Heimat an meinem neuem Leben in Norwegen teilhaben zu lassen. Jedoch habe ich nach und nach immer mehr begeistere Zuschriften von fremden Lesern bekommen, die entweder die Region toll finden oder das Auswandern.

Nun verkaufe ich sogar Nordlicht-Reisen zu uns in den Friisgården über die Seite. Das funktioniert richtig gut, da unsere Gäste sich erst einmal ein Bild machen können, zu wem sie dort auf die Lofoten eigentlich fahren. Und wenn sie zu uns kommen, werden sie ganz automatisch ein Teil des Abenteuers welches ich vor fünf Jahren begonnen habe.

5. Welche großen Unterschiede kannst du zwischen dem Leben in Nordnorwegen/Lofoten und Deutschland feststellen?

Bei euch auf der Seite habe ich über einen Auswanderer gelesen, der nach China gegangen ist. Da ziehe ich meinen Hut. Norwegen ist nun kein völlig neuer Kulturkreis, in den ich mich hineinbegeben habe. Auch wenn hier einiges anders läuft, ist es doch immer noch Nord-Europa.

Was man hier schnell lernt: Deutschland ist absolut. Egal ob es sich um die Arbeit, die Ansichten und oder ein Zeitplan handelt. In den ersten Jahren im Ausland muss man erkennen, wie Deutsch man doch eigentlich ist. Viele hier schätzen diese deutschen Tugenden, aber man sollte nicht enttäuscht sein, wenn man diese hier nicht vorfindet.

Für die Norweger spielt die Freizeit eine große Rolle. Man arbeitet nicht mehr als 7 Stunden am Tag. Am Wochenende ist man auf seiner Hütte in den Bergen und die Norweger haben gerne Familie und Kinder. Hier schaut keiner schräg, wenn Kinder laut sind.

Besonders hier im Norden sind die Gesprächsthemen doch meist angenehm einfach. Das Wetter, der Fischfang und die Familie sind fürs erste immer ein gutes Thema. Hier in Nordnorwegen wird weniger genörgelt und gejammert als in Deutschland. Das ist sehr angenehm und man braucht auch einige Zeit, dies selbst abzulegen.

Das einzige was ich ein wenig vermisse, hier nördlich des Polarkreises, ist ein gutes Warenangebot in den Supermärkten. Wenn man zum Beispiel gerne guten Käse kaufen möchte, muss man extrem tief in die Tasche greifen oder man lässt sich etwas aus Deutschland oder der Schweiz mitbringen. Das gleiche gilt für Obst und Gemüse. Hier oben hat es dafür qualitativ gutes Fleisch, Beeren und Fisch, eben das was die Natur hergibt, alles andere muss tausende Kilometer aus dem Süden angefahren werden.

6. Kannst du dir vorstellen, irgendwann wieder nach Deutschland zurückzukehren?

Im Moment überhaupt nicht. Wir sind vielleicht einmal im Jahr zu Besuch in Deutschland. Ich bin immer wieder froh, wenn wir hier her an unserem Fjord zurückkehren. Ich denke, als Rentner würde ich gern den Polarwinter im warmen und hellen verbringen wollen. Vielleicht in Asien, Spanien oder Italien. Aber was ich hier oben an Freiheit, Natur und Gelassenheit dazugewonnen habe, möchte ich auf gar keinen Fall mehr aufgeben. Deutschland ist mir mittlerweile zu eng, zu voll und zu bürokratisch.

7. Welchen guten Tipp hättest du für künftige Norwegen bzw. Lofoten-Auswanderer?

Versteckt euch nicht! Hier oben kann man nur eine gute Zeit haben wenn man auf die Menschen zugeht, sonst wird es schnell sehr einsam. Lernt Norwegisch, das habe ich leider viel zu spät getan.

Vielen Dank für das Interview!

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